Habecks milliardenschwerer Plan für grünen Wasserstoff löst Verwunderung aus (2024)

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Von: Bettina Menzel

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Wasserstoff ist ein Schlüsselfaktor bei Deutschlands Energiewende. Bis 2030 hat die Bundesregierung große Ziele: Der Energieträger soll dann in der Industrie und im Stromnetz zum Einsatz kommen.

Berlin – Der Ausbau der erneuerbaren Energien gewann zuletzt in Deutschland an Tempo: Im Jahr 2023 konnten laut Bundesregierung bereits 52 Prozent des Stromverbrauchs über Solar- und Windenergie gedeckt werden. Klimaneutral hergestellterWasserstoffspielt im Energiesystem der Zukunft ebenfalls eine wichtige Rolle. Ein Großteil des künftigen Wasserstoffbedarfs Deutschlands soll aus dem Ausland kommen, am Dienstag (28. Mai) genehmigte die EU-Kommission milliardenschwere Förderungen. Doch es gibt Zweifel an der deutschen Wasserstoff-Strategie.

Der lange Weg zur Wasserstoff-Nation: Experten zweifeln an der Umsetzbarkeit

Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger der Energiewende. Wichtige Ziele sind laut Bundesregierung bis 2030 Wasserstoff in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen und im Luft- und Schiffsverkehr zunehmend einzusetzen. Für die sichere Stromversorgung sollen wasserstofffähige Gaskraftwerke zum Einsatz kommen, um das Stromnetz zu stabilisieren. Aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird die Integration von Wasserstoff und die Nachfrage danach schnell steigen. „Das wird jetzt in kurzer Zeit einen sehr schnellen Hochlauf geben“, sagte der Politiker einst. Doch bis es so weit ist, gilt es noch einige Hürden zu überwinden.

Etwa der Ausbau der Wasserstoff-Autobahn: Bundesweit müssen Leitungen in der Gesamtlänge von mehr als 10.000 Kilometern laufen, hinzu kommen Importterminals und Speicher. Rund 20 Milliarden Euro will Habeck in die Infrastruktur für Wasserstoff investieren. Die Idee ist, möglichst viel umzustellen, statt neu zu bauen. Ob das umsetzbar ist, daran gibt es Zweifel. Das Fraunhofer Institut etwa deutete in einer Studie an, dass das nicht so einfach werden könnte. Eine Umstellung sei machbar, wenn sie bereits bei der Planung berücksichtigt würde, hieß es. „Die Idee, dass eine LNG-Anlage Wasserstoff annehmen wird, ist ein Trump‘sches Narrativ. Wenn man es laut und lange und immer wieder sagt, kann man eine ganze Menge Leute überzeugen. Aber in Wirklichkeit gibt es dafür keine Grundlage“, sagte auch Professor Peter Newman von der Curtin University in Perth dem Portal t-online.

Die Rechercheplattform Correctiv sprach unlängst gar von einem „Wasserstoff-Bluff“. Die Wasserstoff-Republik sei bislang noch ein Wunschtraum. Ob und wann Wasserstoff verfügbar, bezahlbar und transportierbar sein werde, wisse niemand – offenbar auch nicht die Bundesregierung, so der Bericht weiter. Bislang fehle noch der Beweis, dass Wasserstoff kein Bluff sei, hieß es auch von einer Quelle aus dem Wirtschaftsministerium zu Correctiv. Als Beispiel nennt die Rechercheplattform ein Erdgaskraftwerk in Leipzig, das angeblich „vollständig wasserstofffähig“ sei, obwohl noch Bauteile fehlen und noch kein Test erfolgte.

Pipelines und Terminals: BDEW drängt auf beschleunigten Aufbau für Wasserstoff-Importe

Der Interessensverband der deutschen Strom- und Energiebranche, der Energiewirtschaftsverband BDEW, forderte zuletzt mehr Tempo beim Aufbau von Einrichtungen für den Import und Transport. „Umstellung und Neubau von Pipelines und Importterminals sowie der Anschluss an die jeweiligen Infrastrukturen sollten schnellstmöglich und zeitgleich angegangen werden“, heißt es dazu in einem Positionspapier der BDEW, das der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vorab vorlag. Wichtigste Voraussetzung sind laut BDEW das H2-Kernnetz mit seinen Importpunkten, aber auch die Hafeninfrastruktur mit Anlandeterminals, Flächen für Tanklager, oberirdischen Speichern sowie Ammoniak-Crackern. Nötig seien auch langfristig absehbare Liefermengen, um den Bau und die Auslastung der Importinfrastrukturen zu realisieren, hieß es.

Fakt ist, dass Deutschland einen Großteil seines Wasserstoffbedarfs künftig importieren müsste. 50 bis 70 Prozent sollen es laut der Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung im Jahr 2030 sein. Ob das sinnvoll ist, bezweifelt so mancher Experte. „Wenn man Wasserstoff verwendet, muss man ihn dort einsetzen, wo man ihn herstellt.“ Alles andere sei nicht wirtschaftlich, kommentierte Professor Newman gegenüber t-online. Zu diesem Ergebnis kam auch eine von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission veröffentlichte Studie. Und es gibt noch ein weiteres Problem mit zu hohen Importen: Deutschland drohe durch „überdimensionierte Importziele“, erneut von autokratischen Regierungen abhängig zu werden, warnte Verena Graichen vom Umweltverband Bund unlängst.

Wasserstoff-Strategie: Setzt Deutschland bei Klimazielen alles auf eine Karte?

Mit seiner Strategie setzt Robert Habecks Ministerium offenbar alles auf eine Karte: „Können wir bis 2035 ausreichend grünen Wasserstoff einkaufen und lässt sich dieser wie erhofft in den jetzigen Gaskraftwerken verbrennen, kommen wir unseren Klimazielen zumindest nahe“, heißt es dazu von Correctiv. Klappe das nicht, reiße Deutschland die Klimaziele und hätte gleichzeitig Milliarden Euro verschwendet. Wie das aussehen könnte, dafür reicht ein Blick nach Großbritannien. Der frühere Premierminister Boris Johnson wollte sein Land zum „Katar des Wasserstoffs“ machen.

Doch das stieß auf Gegenwehr in der Bevölkerung: In den zwei britischen Dörfern Whitby und Redcar sollten Pilotprojekte starten, doch die Menschen dort demonstrierten. Sie hatten Sorge, zu „Laborratten“ einer Technologie zu werden, die sich in Großbritannien nie durchsetzen würde, wie Guardian berichtete. Schließlich teilte die Regierung mit, das Projekt „Wasserstoffdorf“ nicht umsetzen zu können, da die lokale Wasserstoffproduktion für die Umstellung der Gasversorgung auf die kohlenstoffarme Alternative nicht ausreiche.

Private Haushalte sollten auf elektrische Heizmöglichkeiten wie die Wärmepumpe umsteigen, die Schwerindustrie solle Wasserstoff verwenden, hieß es demnach von britischen Experten zum Thema, darunter auch Infrastrukturbeauftragten der britischen Regierung. „Es ist ziemlich klar, dass Wasserstoff bei der Beheizung von Häusern in Zukunft eine kleine Rolle spielen wird, wenn überhaupt. Das akzeptieren alle, von den Ministern bis zurNational Infrastructure Commission, die Gasindustrie vielleicht weniger“, kommentiert der Analyst Jess Ralston gegenüber Guardian.

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